Religiöses



Aus der Genesis - Der Turm zu Babel

Der Böse schon am Samen nagt,
Noch ehe Gottes Namen sagt
Der Mensch, der ersten Sünde Kind:
Umsonst Gebot und Künde sind!
Die alte Macht des Bösen langt,
Dass Gott schon zu erlösen bangt
Ob dieses Ungebindes Keinen:
Der Mensch ist bös von Kindesbeinen!
Vergessen ist der Edenfall,
Vergessen Gottes Fehden all,
Vergessen ist auch Abel bald,
Schon ward die Sündenbabel alt!
Seht ihr Gott finster schauen, harren,
Was sie da drunten hauen, scharren,
Und was sie mit Gerüsten wollen
Und Steine durch die Wüsten rollen?
Noch lachte er der Herde eben;
Da sieht er aus der Erde heben
Sich eines Turmes Mörtelwehr:
Nun spricht Herr Gott kein Wörtel mehr
Und blickt im Kreise staunend rum...
Die Engel stehen raunend stumm,
Auf dies und das ihr Deuten lenken:
Was soll man von den Leuten denken?
Und was für Pläne werden, ach,
Dort auf dem Grund der Erden wach?
Sollt' Klugheit hier vermissen wer,
Da sie von Sünd' nichts wissen mehr?
Der eine meint: im Grünen hab'
Geseh'n ich schon manch Hünengrab,
Doch niemals so ein Riesendings!
So flüstert man bei diesen rings.
Bis selbst der Frosch im Kolke witzelt,
Dass Gott man an der Wolke kitzelt,
Und bis so hoch der Giebel steht,
Dass er an Gotte Stiebel geht.
(Die Teufel selbst, die Schwefelfritzen
Bei solchem Menschenfrevel schwitzen!)
Als man's so weit im Hohne trieb,
Gott jäh von seinem Throne hieb
Den Absatz auf das Baugerüst:
Da ward ihr Frevel rauh gebüßt!
Und durch des Himmels Stille geht
Die Kunde, dass Gott's Wille steht,
Dass Menschenwerk, verwegen, sinkt,
Wenn ihm nicht Gottes Segen winkt:
Denn wem vorm heil'gen Bunde graut,
Stets nur auf sand'gem Grunde baut!
Was ward aus solchen Bauens Größe:
Ein wilder Ort des Grauens! Böse
Ward mancher da vom Tod gerupft,
Die Trümmer waren rot getupft!
Die übrigen man fleuchen sieht,
Weil jeder Tod und Seuchen flieht:
Gewissensangst, die Strafe scheut,
In alle Welt die Schafe streut:
Da ändern sich die Laute bald!
Was einst zusammen baute, lallt
In Zungen jetzt, die Lande scheiden:
Sie mussten's sich zur Schande leiden!
Wer jetzt durch Babels Reste geht
Mit unverstandner Geste red't!
O Menschen auf der Erde hier!
Einmal wart eine Herde ihr,
Einmal, in jenem fernen Land
Man keine Sprach' zu lernen fand!
Doch seit dem Sturz von Babel kann
Man flieh'n nicht dem Vokabelbann:
Nicht nur, die ihr als Tröpfe kennt,
Nein, auch die klüg'ren Köpfe trennt
Noch jetzt der Sprache kunterbunt:
Nicht mischen man sie bunter kunnt'!
Dadurch wird jetzt noch Genf versiebt,
Wo jeder eignen Senf vergibt;
Und red't er auch den gleichen Zimt:
Noch kein Verständ'gungszeichen glimmt!
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